Martins Desktop

Martin Neitzel

In der Firma

Ich habe auf der Arbeit ein lautloses "IGEL"-X-Terminal. Das ist im Prinzip ein luefterloser Linux-PC, bei dem man das Linux nie zu Gesicht bekommt. Daran haengt ein 21"-Monitor mit 1280x1024 Pixeln Aufloesung. Die Grafikperformance ist schlecht und bei weitem nicht state-of-the-art. Flash-Animationen kriechen bei mir zehn mal langsamer, als der Designer sich das so gedacht hat, und mit einer color depth von 16 bits sehen viele Webseiten heutzutage auch eher psychedelisch aus. Da ich aber hauptamtlich Unixer/Netzwerker bin, tangiert mich das nur peripher. Die absolute Stille ist mir viel wichtiger.

Hier ein erster, grober Eindruck:

Demo-Schirm

Zu sehen sind Dies ist sozusagen mein klassisches Doppel-xterm-Fenster: links die mail, rechts irgendeine shell.

Ich verwende einen schlichten Hintergrund ("xsetroot -solid black"), Der mich nicht ablenken kann.

Ebenso verzichte ich gerne auf fette Titelbalken von Window-Managern. Ich nutze den Platz lieber fuer weitere zwei Zeilen im Editor.

Die Mehrzahl aller Fenster sind schlichte xterms. In denen laufen shells auf eigenen Rechnern, unseren Servern, Kundenrechnern, und Routern. Die xterms haben alle normgerechte 80 Spalten, sind schwarz/weiss und haben den unsexy non-proportional-font "fixed".

Ich benutze den fvwm2, um ein Dutzend virtuelle Desktops zu bekommen. Dabei sind zwei Fenster "sticky", d.h. sie bleiben konstant in allen desktops sichtbar:

Alle meine Arbeit hat mit email zu tun. Kunden bitten via email um Hilfe, die meisten erledigten Arbeiten werden via email kund getan und dabei oft gleich dokumentiert. Email ist bei uns wichtiger als das Telefon. Deshalb das sticky mail-Fenster.

Rechts neben dem mail-xterm habe ich einen grossen freien Platz (777x888 pixel), der je nach virtuellem Desktop i.d.R. mit einem weiteren grossen xterm gefuellt ist -- meistens mit einer Arbeits-Shell zu einem Rechner oder Router. Lange Hangeleien vom Arbeitsrechner mit telnet zum eigenen Router mit telnet zum Kundenrouter mit telnet zur Kundenfirewall mit ssh zu einem internen Wartungsrechner mit telnet einem Switch des Kunden sind keine Seltenheit.

Groesste Ausnahme von den vielen xterms ist der eine virt. Desktop, bei dem lauter Netscape-Fenster in den freien Platz neben das mail-xterm gestackt werden. Ich hasse es ueberigens, wenn Web-Designer meinen, mein Browserfenster resizen zu muessen, so dass ich mein mail-Fenster nicht mehr sehen kann. (Schliesslich steht in der mail nicht selten drin, was ich auf eben dieser Seite aendern soll.)

Das logfenster steht bereit, um "tail -f"-Ausgaben von oft gleich mehrerer Dateien anzuzeigen. Das sind gerne syslog-Ausgaben und aehnliches, ich habe diverse Zusammenstellungen fuer diverse Aufgaben oder Maschinen. Oft laeuft in dem logfenster ersatzweise auch einfach nur ein biff(1).

Ich habe drei Screenshots gemacht, die einen typischen Arbeitsaublauf und das Zusammenspiel dieser drei Hauptbereiche dabei zeigen sollen:

(1) Ich erhalte einen Auftrag per email:
Eine Weblink bzw. die dazu berechnete Seite ist irgendwie kaputt. Ich gehe zum virtuellen desk mit dem Web-Browser und schaue mir den Link an. Die email mit dem Fehlerbericht wird mitgschleift (das mail-xterm ist ja sticky).

Fehlermeldung

(2) Ich kuemmere mich um die email:
Dazu wechsele ich zu einem anderen virt. desk und eroeffne dort ein xterm auf dem zustaendigen Webserver.

Fehlersucherei in der shell

Dabei hilft das logfenster sehr. Es zeigt nicht nur das web-Server-Log mit den angefragten URLs und die responses dazu, sondern auch stderr von den CGI-Skripten, das log des FTP-Servers mit frischen Seiten-Uploads und aehnliches. Bei der Bearbeitung wird fleissig zwischen den beiden desktops hin und her gewechselt.

(3) Ich schreibe eine Antwort an die Kunden:
Dabei natuerlich mit Cc: an die Kollegen. Das ist unsere gleichzeitig unsere primaere Methode, uns gegenseitig auf dem laufenden zu halten.

X-Applikationen brauche ich kaum. Eigentlich nur zwei Stueck: einen "ical" Firmenkalender und ein "Netscape-Navigator". In letzer Zeit kommen immer oefter virtuelle Windows-Desktops dazu (sei es via VNC oder --bevorzugt-- rdesktop). Frueher musste ich an einen anderen Arbeits-Platz rennen, um irgendwelche Kleinigkeiten unter Windows zu nachzusehen oder zu erledigen, heute geht das alles gluecklicherweise auch remote. Wir benutzen mit 13 Unixern so gemeinsam einen Win2000-Server, der irgendwo im Serverraum steht, genauso wie unsere beiden wichtigsten Unix-Buero-Maschinen. (Die Arbeitsplaetze sind alle als X-Terminal ausgelegt.)

Sehr am Herzen liegt mir, dass ich meine Arbeit auch von zuhause und von unterwegs aus machen kann, sei es auf einer Urlaubsreise oder von einem Kunden aus. Dazu muss alles auch ueber eine schlichte ssh-Verbindung aus machbar sein. Ein putty ist ueberall in null-komma-nix installiert, falls einmal ein Kunde/Gastgeber nur Windows hat. Meinen schweren Laptop schleife ich ungern durch die Gegend.

Arbeitsumgebung zuhause

Ich habe zuhause ein kleines Rechnernetz mit vorwiegend NetBSD, FreeBSD und Linux-Systemen. Meistens habe ich nicht einmal ein X11 rennen. Als Terminal dient mir gerne mein Laptop, fuer den ich gerade einen Computertisch baue.

Meine Arbeit (konfigurieren, manpage lesen, programmieren, manpage lesen, administrieren, manpage lesen) geht bequem in einem console-tty. Zusammen mit gpm(linux) bzw. moused(bsd) und mehreren virtuellen Konsolen wuerde ich unter X11 nicht wirklich anders arbeiten.

Ich surfe kaum. Wenn es doch sein muss (weil eine email auf eine webseite verweist), hoffe ich, mit einem lynx auszukommen.

Wenn ich zuhause X11 an habe, verwende ich den Window-Manager, der standard-maessig mit X11 kommt: twm(1). Ich bin kein Fan von Extra-Installationen und lerne lieber eine Sache richtig als fuenf Sachen schlecht.

Meisten sitzen ich zuhause am Laptop. Der hat einen TFT-Schirm mit 800x600 Pixeln. Eine denkbar unguenstige Groesse, denn fuer zwei xterms nebeneinander ist das knapp zu klein, fuer einen einzigen eher Verschwendung. Ich verzichte da deshalb auf virtuelle Desktops, ein Alt-TAB wechselt stattdessen zwischen den 40x80 xterms, die alle auf dieselbe Stelle gestackt werden.

Ich verwende zuhause gerne wieder ein breites logfenster am oberen Bildschirmrand. In dem lasse ich gerne eine snort rennen. Ich fahre mein Netz daheim mit oeffentlichen Adressen ohne layer-2/3-Firewall und gucke lieber gerne zu, was die Leute von aussen so bei mir probieren.

Die verbleibende freie Flaeche ist wie gesagt fuer ein xterm zu klein. Hierhin werden gerade nicht benoetigte xterms iconified. Nun kommt der Clou: Ich verwende die "active icon"-einstellung vom xterm(1). Das xterm schrumpft auf Briefmarkengroesse, indem auf den "unreadable" font umgeschaltet wird. Trotzdem kann man es im icon sehen, wenn bspw. ein "make"-Lauf fertig wird oder sich ein ein biff(1) meldet. Selbst Eingaben sind in den Briefmarken moeglich.