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Maßeinheiten finden wir speziell

Maßeinheiten waren/sind eine wirklich knifflige Angelegenheit, nicht nur international. So war ein Hannoveraner Fuß vor 170 Jahren mit 29,2 cm etwas größer als ein Braunschweiger mit 28,5 cm. Dafür war ein Scheffel des Königreichs an der Leine (62,3 Liter) ungleich kleiner als im Herzogtum an der Oker (310,42 Liter). Während Kontinental-Europa größtenteils aber im 19. Jahrhundert mit der Einführung des metrischen Systems den Weg zur Vereinheitlichung der Maße fand, ist der angloamerikanische Raum heute wohl vor allem aus ideellen Gründen weit davon entfernt, völlig auf Pint, Gallone und Meile zu verzichten (wobei sich amerikanische und britische Einheiten häufig auch nochmal unterscheiden).

Trotz weitestgehender Standardisierung hat sich das Einheiten-Tohuwabohu bis in die Computer-Technologien gerettet. Nach dem Kauf eines Speichermediums hat schon der ein oder andere festellen müssen, dass seine neue Festplatte, die eigentlich ein Terabyte (also 1.000 Gigabyte) groß sein sollte, vom Diagnosewerkzeug des Computers lediglich mit etwas mehr als 900 Gigabyte erkannt wird. Hat der Hersteller mich betrogen? Ist das japanische Gigabyte des Festplattenherstellers kleiner als das des amerikanischen Computerproduzenten?

Sie ahnen es längst: Nichts davon ist richtig. Wenngleich die zweite Antwort der Lösung relativ nahe kommt. Hier geht es allerdings nicht um nationale Unterschiede. Die von jedem sprachlich häufig genutzten Dezimalpräfixe Kilo, Mega, Giga usw. sind sogar per DIN-Norm definiert. Und jedem Laien erschließt sich schnell, dass ein Kilobyte 1.000 Byte haben muss, ein Megabyte 1.000 x 1.000 Byte etc. Wir kennen das vom Kilogramm, vom Kilometer und von Dagoberts Fantastilliarden.
Allein: Die schöne bunte Computerwelt ist nicht wirklich dezimal.

Computer rechnen anders
Computer kennen nämlich nur ja oder nein, an oder aus, eins oder null - sie arbeiten binär. Jede E-Mail, jedes Digitalfoto von Ihren Lieben besteht eigentlich aus einem großen Haufen Nullen und Einsen. Eine Ziffer (Null oder Eins) ist ein Bit, acht solcher Bits sind ein Byte. Soweit so klar? Denn nun wird's putzig - und etwas kompliziert.

Der Arbeitsspeicher eines Computers - und ohne den geht gar nichts - "besteht" aus 2n Speicherzellen. Warum, ist jetzt nicht weiter wichtig. Es ist einfach so. Der Speicher errechnet sich mit Zweierpotenzen. Sie erinnern sich vielleicht noch an die 80er Jahre als Ihr Computer über einen angsteinflößenden Arbeitsspeicher von 128 Kilobyte verfügte (27 Kilobyte). Schnell gab es dann Speicher von 256 (28) und 512 (29) Kilobyte.

Zweierpotenzen sind also die Grundlage der Speicherberechnung. Da man schnell in Bereiche kam, die in Worten umständlich zu beschreiben sind, lieh man sich bekannte Begriffe: die Dezimalpräfixe Kilo, Mega, etc. Mit der Zweierpotenz kommt man aber in unserem Zahlensystem unglaublich schlecht auf die mit Dezimalpräfixen beschriebenen Zehnerpotenzen. Also nahm man in Ermangelung an Alternativen ganz pragmatisch die Zweierpotenz, die z.B. 1000 Byte am nächsten kam und nannte sie Kilobyte. So wurden aus 210 (also 1024) Byte ein Kilobyte, aus 220 Byte ein Megabyte, aus 230 Byte ein Gigabyte - eigentlich sehr unüblich für die Informatik, die sonst alles sehr genau nimmt, aber wie gesagt pragmatisch.

Enorme Abweichungen
Die Begrifflichkeiten sorgten bei den meisten nicht wirklich für Kopfzerbrechen. Ob nun 1.000 oder 1.024 Byte: Ein Unterschied von 2,4 Prozent ist zu ignorieren. Und die Informatik nahm die Bezeichnung als gegeben hin. Man wusste ja, was gemeint war. Allerdings war auch absehbar, dass es nicht beim Kilobyte bleiben würde. Und bei Datenspeichern wie besagter Festplatte ist bauartbedingt eben nicht mehr die Zweierpotenz das Maß aller Dinge. Eine Festplatte mit einer Kapazität von einem Terabyte, kann auch wirklich über eine Billion Byte (1012) verfügen. Und die Differenz zu der naheliegendsten Zweierpotenz bleibt nicht etwa gleich. Sie wird größer. So ist sie bei einem Megabyte von 1.000 x 1.000 = 1.000.000 zu 1.024 x 1.024 = 1.048.576 Byte schon auf 4,9 Prozent angewachsen. Bei einem Terabyte beträgt sie satte 10 Prozent.

Das Internationale Büro für Maß und Gewicht nahm sich des Speicherproblems an. Man entschied, ganz der Gewohnheit, dass Dezimalpräfixe auch tatsächlich nur Zehnerpotenzen beschreiben sollten. Für die Zweierpotenzen sollten gleichsam Binärpräfixe zum Einsatz kommen. Diese gestaltete man sprachlich denkbar einfach aus den ersten beiden Buchstaben des Dezimalpräfixes zuzüglich eines 'bi', also Kibibyte statt Kilobyte. Von nun an sollte Kilobyte für 1.000 Byte stehen und Kibibyte untrennbar mit 1024 verbunden sein.

 

Kilobyte (kB)1031.000 Byte   Kibibyte (KiB)2101.024 Byte
Megabyte (MB)1061.000.000 Byte   Mebibyte (MiB)2201.048.576 Byte
Gigagabyte (GB)1091.000.000.000 Byte   Gibibyte (GiB)2301.073.741.824 Byte
Terabyte (TB)10121.000.000.000.000 Byte   Tebibyte (TiB)2401.099.511.627.776 Byte
 
 

Alles beim Alten?
Nun hatte die Computerindustrie aber schon über Jahrzehnte mit den "falschen" Begriffen gearbeitet und viele hatten das Kind lieb gewonnen. Anderen dagegen fiel es nicht schwer die neuen Maßeinheiten umzusetzen. So kommt es, dass Hersteller von Speichermedien die Kapazitäten korrekt nennen, während Ihr Betriebssystem (zumindest laut Internationalem Büro für Maß und Gewicht) die Größe Ihrer Festplatte falsch wiedergibt. Die meisten Betriebssysteme nutzen trotz anders lautender Empfehlungen von Seiten der Hüter der Maße die gewohnten Dezimalpräfixe, rechnen aber mit Zweierpotenzen.

Sie müssen sich also keine Sorgen machen: Ihre Festplatte hat keinen Speicher verloren und Sie wurden auch nicht übers Ohr gehauen. Das japanische Gigabyte ist in dem Beispiel nur irgendwie anders als das amerikanische. Und doch bezeichnen beide die gleiche Anzahl an Byte.

Auch für die Datenübertragung ist die Maßeinheit von Bedeutung. Und in diesem Falle sind wir, Asche auf unser Haupt, ebenfalls ganz Kinder unserer binär geprägten Ausbildung. Wenn Sie bei der Gärtner Datensysteme ein Gigabyte Datenvolumen haben, dann ist es tatsächlich ein Gibibyte. Das sollte Sie nun nicht mehr verwirren und zudem haben Sie dabei über sieben Prozent "gespart". ;)